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Campus-Held:innen

Pflege-Studierende im Einsatz gegen das Coronavirus

Campus-Held:innen

Beim ausbildungsintegrierenden Pflege-Studiengang an der Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege schließen die Studierenden eine Ausbildung in der Gesundheits- / Krankenpflege ab und erlangen gleichzeitig einen Bachelorabschluss. In der Pandemie stehen die Studierenden in den ausbildenden Einrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen plötzlich an vorderster Front im Kampf gegen das Coronavirus. Zwei von ihnen sind Viktoria (24) und Elisa (25).

Wie geht es euch derzeit als Pflegekräfte in der Pandemie?

Elisa: Aktuell ist es ruhiger geworden. Auch mit den Hygienekonzepten, welche FFP2-Masken den gesamten Dienst über vorschreiben, sowie den Abstandsregeln kommt man langsam ganz gut im Klinikalltag zurecht. Als Mitarbeiter werden wir übrigens nicht zu jedem Dienstantritt auf COVID-19 getestet, wie man vielleicht vermuten würde. Woran das genau liegt, kann ich nicht sagen.

Viktoria: Mittlerweile hat man sich mit der Lage arrangiert. Dennoch wird bei allen spürbar, dass die nötigen Maßnahmen und Veränderungen im alltäglichen Leben an den Nerven zehren. 

Wie hat sich euer Arbeitsalltag in den vergangenen 12 Monaten verändert?

Viktoria: Die Arbeitsbedingungen haben sich während der Pandemie sehr verändert. Der personelle Engpass wurde immer spürbarer. Die Folge waren Überstunden und eine Umverteilung des Personals auf andere Stationen, um das Defizit kompensieren zu können. Obwohl wir auf unserer Station keine bis sehr wenige COVID-19-Patienten betreuen, sind die Auswirkungen doch enorm. Bevor die Schnelltests für Patienten im Laufe der Pandemie eingeführt wurden, bestand eine kontinuierliche Unsicherheit bezüglich der Ansteckungsgefahr. Man konnte nie wissen, ob der Patient vor einem infektiös war oder nicht. Zusätzlich wurden zu dieser Zeit auch nur die normalen OP- Masken getragen, da die wenigen verfügbaren FFP2-Masken ausschließlich für Mitarbeiter vorgesehen waren, welche positiv getestete Patienten versorgten. Die Materialknappheit hatte auch Auswirkungen auf die Patienten, die aus anderen isoliert wurden. Hier musste improvisiert werden, um sich ausreichend schützen zu können, da es zum Beispiel an Schutzkitteln fehlte. Durch Corona gibt es auch eine deutlichere Bettenknappheit. So kommen Patienten auf unsere Station, die normalerweise auf anderen Stationen, wie zum Beispiel der Intensivstation, betreut würden. Hierdurch steigen die Anforderungen an alle an der Betreuung beteiligten Personen zusätzlich. Seit Beginn der Pandemie bin ich kaum mehr zu Hause gewesen, sondern halte mich soweit es geht bei meinem Freund auf, da jeder aus meiner Familie zu einer Risikogruppe gehört. Erst im Verlauf der Pandemie ergaben sich nach und nach verbesserte Umstände – Schnelltests für Mitarbeiter, FFP2-Masken für alle, aktuell die Möglichkeit zur Impfung –, welche etwas mehr Sicherheit geben.

Elisa: Die Arbeit im Covid-Bereich war sehr kräftezehrend. Eine Acht-Stunden-Schicht dort mit FFP-Maske, Schutzanzug, doppelter Handschuhmethode und Schutzbrille ist nicht mit der bisher gewohnten Arbeit im Krankenhaus zu vergleichen. Der Bereich war komplett isoliert. Trinken war also erst mit dem Ausschleusen zu den Pausen möglich. Das ist schon sehr kräftezehrend, aber auch daran gewöhnt man sich. Das Team arbeitet eng zusammen und man hilft sich gegenseitig. Patienten werden gemeinsam mobilisiert, weil in dieser Schutzmontur selbst ein einfacher Transfer in den Rollstuhl einem Marathon gleicht. Das Personal des Covid-Bereichs setzte sich aus drei verschiedenen Stationen zusammen und so mussten verschiedene Ansätze erst einmal zusammengeführt werden. Die Station wurde eigentlich innerhalb weniger Tage aus dem „Nichts“ heraus erschaffen.

Gab es ein bestimmtes Ereignis während der Pandemie, das euch besonders beschäftigt hat? 

Viktoria: Ein bestimmtes Ereignis gibt da es nicht. In der Pflege gibt es auch ohne COVID-19 fast täglich Situationen, welche einen über einen bestimmten Zeitraum beschäftigen können. Ich denke aber, dass COVID-19 an sich ein riesiges Ereignis darstellt, welches in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Elisa: Jeder Arbeitstag auf einer Covid-Station ist ein Ereignis. Aber im Prinzip war es bis auf die erschwerten Arbeitsbedingungen wie immer. Wir helfen kranken Menschen, welchen es wirklich schlecht geht – so wie auch auf meiner eigentlichen Station. Ich werde in meinem beruflichen Alltag mit vielen Schicksalen konfrontiert. Unsere Station ist nicht aus allen Nähten geplatzt, wir hatten immer freie Betten und Gott sei Dank immer genug Personal. Die Patienten sind aus meiner Sicht bestens versorgt worden.  Was mich allerdings immer noch sehr beschäftigt, ist, dass sich eine Kollegin und gute Freundin vermutlich bei der Arbeit angesteckt hat. Sie ist aufgrund der Folgen von Corona bis heute arbeitsunfähig – eine junge, motivierte und sportliche Frau ohne Vorerkrankungen. Das ist ein sehr eindrückliches Beispiel dafür, was Corona mit einem machen kann. Nicht nur ältere Leute können einen Verlauf mit starken Nebenwirkungen haben, sondern auch Jüngere. 

Welchen Einfluss hat die Situation auf euer Studium?

Viktoria: Gerade in der Prüfungsphase hatte man durch die Überstunden weniger Zeit zum Lernen. Tatsächlich muss man sagen, dass die Umstellung von Präsenz- auf Onlinevorlesungen auch Vorteile hat. Man kann sich die Zeit viel besser einteilen, was die Verbindung von Arbeit und Studium sehr viel einfacher gestaltet.   

Elisa: Viele, mich eingeschlossen, haben in der ersten Welle die Stunden in den Kliniken aufgestockt und ausgeholfen. Dadurch sollte die zu erwartende Patientenwelle und Personalausfälle gedeckt werden. Die Pandemie hat uns alle auch privat unter Kontrolle. Die Vorlesungen finden lediglich online statt, wie bei allen anderen Studierenden eben auch. Meiner Meinung nach ist das Studium einfach wegen der Gesamtsituation eher aus dem Fokus geraten. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass mir Online-Unterricht nicht so liegt…

Sind Studierende in der Pflege „systemrelevant“?

Elisa: Ja! Wir sind Gesundheits- und Krankenpfleger, welche neben der Arbeit auf den Stationen eben noch studieren. Ich arbeite in Teilzeit und auch im Dreischichtsystem, wie auch an Wochenenden und Feiertagen. Da gibt es keine Unterschiede, außer dass der Dienstplan um die Hochschultage geschrieben wird und Rücksicht darauf genommen wird. Dafür bin ich meiner Klinik auch sehr dankbar, weil das natürlich einen Mehraufwand bedeutet, aber immer reibungslos funktioniert.  Das Studium ist natürlich auch sehr zeitintensiv und deswegen ist es für die meisten lediglich nur möglich, in den Semesterferien 100% zu arbeiten.

Viktoria: Meiner Meinung nach sind Pflege-Studierende definitiv systemrelevant. Zwar ist es uns kaum möglich, 100% zu arbeiten, doch wir können einen Teil der entstandenen Lücken kompensieren, die durch Corona entstanden sind. Während der Semesterferien ist es sogar möglich, deutlich mehr zu arbeiten. Zukunftsorientiert spielen die Pflege-Studierenden ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie haben durch die Studieninhalte nochmal eine andere Sichtweise auf die Praxis, auf Probleme, aber auch Ressourcen und können für die Zukunft richtungsweisend sein. 

Wo seht ihr als Pflegekräfte und Pflege-Studierende Handlungsbedarf?

Elisa: Das Image der Pflege. Es wird immer viel darüber geredet, dass sich etwas ändern muss, jedoch passiert nichts. Corona-Prämien haben längst nicht alle bekommen, die in der Pflege arbeiten. Eine Vergütung für alle systemrelevanten Berufsgruppen wäre wünschenswert – auch für Pflegekräfte, welche auf Covid-Stationen gearbeitet haben. Das war und ist nämlich nicht der Fall. Das ist frustrierend und demotivierend! Es wäre ein Anfang hin zur Anerkennung und Wertschätzung diesen Leuten gegenüber. Ebenso das Image von Pflege-Studierenden. Für uns ist es oft schwierig, in der Praxis als kompetente Gesundheits- und Krankenpflegerinnen auf den Stationen tätig zu sein und auf der anderen Seite an der Hochschule von den Vollzeitstudenten als ihre Kommilitoninnen wahrgenommen zu werden.

Viktoria: Ich wünsche mir, dass die Regierung es möglichst bald schafft, Struktur in die Pandemie zu bekommen und geplante Interventionen optimiert und umsetzt. Dies ist nicht nur für den sozialen Sektor von hoher Relevanz, sondern betrifft jeden Einzelnen von uns. Außerdem sollten alle systemrelevanten Berufe in dieser Pandemie die entsprechende Wertschätzung, Arbeits- und Rahmenbedingungen sowie Vergütung erhalten. Aber diese Wünsche sind vermutlich nichts Neues…

Text:
Ufuk Sen